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Urteil Verwaltungsgericht (LU - A 04 216)

Zusammenfassung des Urteils A 04 216: Verwaltungsgericht

Die Person A bezog ab Juni 2003 Sozialhilfe von der Gemeinde Z, verlor jedoch Ende Juli 2003 ihre Wohnung und lebte danach vorübergehend bei Bekannten und später in einem Hotel. Die Gemeinde Y weigerte sich zunächst, Unterstützung zu leisten, aber nach einer Beschwerde wurde ihr Notfallhilfe zugesprochen. Vor Gericht wurde darüber gestritten, ob die Gemeinde Y neben der Notfallhilfe auch die volle Sozialhilfe leisten müsse. Es wurde festgestellt, dass A während des fraglichen Zeitraums keinen festen Wohnsitz hatte und somit Anspruch auf volle Unterstützung am Aufenthaltsort hatte. Der Richter entschied zugunsten von A, dass sie Anspruch auf volle Unterstützung hatte.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts A 04 216

Kanton:LU
Fallnummer:A 04 216
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:Abgaberechtliche Abteilung
Verwaltungsgericht Entscheid A 04 216 vom 30.11.2004 (LU)
Datum:30.11.2004
Rechtskraft:Diese Entscheidung ist rechtskräftig.
Leitsatz/Stichwort:Art. 49 Abs. 1 BV; Art. 12, 13 ZUG; § 5 SHG. Umfang der Sozialhilfe am Aufenthaltsort bei Fehlen eines Unterstützungswohnsitzes. Derogatorische Kraft des Bundesrechts.

Schlagwörter: Unterstützung; Sozialhilfe; Aufenthalt; Wohnsitz; Zuständigkeit; Bedürftige; Unterstützungswohnsitz; Gemeinde; Regelung; Hilfe; Notfallhilfe; Anspruch; Schweiz; Bundesgesetz; Bedürftiger; Sozialhilfegesetz; Wohnung; Hotel; Unterstützungsleistung; Bundesgesetzes; Aufenthaltskanton; Bundesrecht; Zimmer; Luzern
Rechtsnorm: Art. 115 BV ;Art. 49 BV ;
Referenz BGE:-
Kommentar:
-

Entscheid des Verwaltungsgerichts A 04 216

A bezog seit Juni 2003 wirtschaftliche Sozialhilfe von der Gemeinde Z. Ende Juli 2003 verlor sie ihre Wohnung in Z infolge Kündigung. Da sie keine neue Wohnung fand, lebte sie danach bis zum 11. September 2003 bei Bekannten und vom 12. September 2003 bis Ende Oktober 2003 in einem möblierten Zimmer in einem Hotel in Y. Seit 1. November 2003 lebt sie wieder in einer eigenen Wohnung in X. Das Sozialamt der Gemeinde Z leistete noch für die Monate August und September 2003 vollumfängliche Unterstützung; die Gemeinde X richtet seit 1. November 2003 wirtschaftliche Sozialhilfe aus. Die Gemeinde Y weigerte sich zuerst, überhaupt Unterstützungsleistungen zu erbringen, da A durch den vorübergehenden Aufenthalt in einem Hotel nicht einen Wohnsitz begründet habe. Nach entsprechender Beschwerde wurde sie jedoch im Entscheid des Gesundheitsund Sozialdepartements des Kantons Luzern verpflichtet, an A gemäss § 5 Abs. 2 SHG Notfallhilfe zu leisten, wozu zumindest die Kosten für eine minimale Unterkunft und Verpflegung gehören würden. Strittig im Verfahren vor Verwaltungsgericht war schliesslich die Frage, ob die Gemeinde Y nicht nur Nothilfe, sondern die nach Sozialhilfegesetz vorgesehene wirtschaftliche Sozialhilfe im vollen Umfang zu leisten habe.

Aus den Erwägungen:

1.- Streitgegenstand im vorliegenden Verfahren bildet einzig die Frage des Umfanges der durch die Gemeinde Y für den Zeitraum vom 12. September 2003 bis zum 31. Oktober 2003 zu leistenden Sozialhilfe. Nunmehr unbestritten ist, dass die Beschwerdeführerin während dieser Zeit keinen Unterstützungswohnsitz in Z mehr besass, aber auch noch keinen neuen begründet hatte, da ihre Unterbringung in einem möblierten Zimmer in einem Hotel einzig als vorübergehender Aufenthalt und nicht als Wohnsitznahme zu qualifizieren ist. Strittig ist jedoch, ob sich aus diesem Umstand ableitet, dass die Gemeinde Y einzig Nothilfe im Sinne von § 5 Abs. 2 SHG zu leisten habe - so die Auffassung der Vorinstanz - ob ein Anspruch auf volle Unterstützungsleistung bestehe, wie die Beschwerdeführerin vorbringt. (¿)

2.- a) Das kantonale SHG regelt innerkantonal die örtliche Zuständigkeit für die Leistung von Sozialhilfe. Demgegenüber hat der Bund gestützt auf Art. 115 BV die interkantonale Zuständigkeit zu regeln, was dieser mit dem ZUG getan hat.

Unter Verweis auf die Wohnsitzregelung des ZUG ist nach dem kantonalen Sozialhilfegesetz die Einwohnergemeinde am Wohnsitz des Hilfebedürftigen für die Sozialhilfe zuständig (§ 5 Abs. 1 SHG). In Notfällen ist die Einwohnergemeinde zuständig, in der sich der Hilfebedürftige aufhält (§ 5 Abs. 2 SHG). Aus den Materialien ergibt sich, dass das Sozialhilfegesetz die Regelung des Bundesgesetzes übernehmen wollte, um im innerkantonalen Verhältnis die gleiche Wohnsitzregelung wie im interkantonalen Verhältnis zu haben, und so abweichende Lösungen vermieden werden können (vgl. GR 1989, S. 178). Zu beachten gilt dabei, dass das kantonale Sozialhilfegesetz am 1. Januar 1991 in Kraft trat, somit vor der Revision des ZUG, welche seit 1992 rechtsgültig ist und insbesondere auch eine Änderung der Art. 12 und 13 ZUG (Bestimmung über die örtliche Zuständigkeit) brachte. Die bestehende kantonalrechtliche Regelung des § 5 SHG entspricht denn inhaltlich massgeblich der altrechtlichen Fassung von Art. 12 und 13 ZUG.

b) Die bis Ende 1991 in Kraft stehende Regelung des ZUG sah vor, dass die Fürsorge für bedürftige Schweizer Bürger in der Schweiz dem Wohnkanton obliegt. Der Aufenthaltskanton ist dagegen nur für die Unterstützung in Notfällen zuständig, d.h. für die dringliche Unterstützung von Schweizern, die in der Schweiz plötzlich Hilfe brauchen, entweder ausserhalb ihres Wohnkantons als Personen ohne Wohnsitz in der Schweiz (z.B. Auslandschweizer). Hierbei haben diese Personen jedoch nur Anspruch auf unaufschiebbare Hilfe. Für nicht dringliche Hilfe muss der Bedürftige sich an die Behörde seines Wohnorts wenden. Der ohne festen Wohnsitz Herumziehende hatte überhaupt keinen Anspruch auf andere als Notfallhilfe (vgl. Botschaft zu einem Bundesgesetz über die Zuständigkeit für die Unterstützung Bedürftiger vom 17. November 1976, BBl 1976 III S. 1205 f.).

Bei der Revision des ZUG wurde in Absatz 2 von Art. 12 neu eine Zuständigkeit des Aufenthaltskantons für diejenigen Bedürftigen begründet, die keinen Unterstützungswohnsitz haben. Die Hilfeleistung des Aufenthaltskantons soll in diesen Fällen umfassend sein und sich nicht lediglich auf die ein Minimum umfassende Notfallhilfe im Sinne der bisherigen Regelung beschränken. Bei dieser Neuregelung wurde vor allem an Suchtund Aids-Patienten gedacht, denen mit einer notdürftigen Unterstützung im Allgemeinen nicht geholfen ist. Mit dieser Neuregelung ist die Notfallunterstützung auf Bedürftige beschränkt, die einen Unterstützungswohnsitz haben, aber ausserhalb dieses Wohnsitzes plötzlich und dringlich Hilfe benötigen (vgl. Botschaft zur Änderung des Bundesgesetzes über die Zuständigkeit für die Unterstützung Bedürftiger vom 22. November 1989, BBl 1990 I S. 64).

c) Die kantonalrechtliche Regelung entspricht - wie erwähnt - den ursprünglichen Zuständigkeitsbestimmungen des ZUG. Entsprechend der altrechtlichen Regelung dieses Bundesgesetzes hat demnach ein Bedürftiger ohne Unterstützungswohnsitz gemäss § 5 Abs. 2 SHG an seinem Aufenthaltsort nur Anspruch auf Notfallhilfe. Dies führt jedoch zu einem Widerspruch zur neurechtlichen Regelung des ZUG, indem durch die kantonalrechtliche Bestimmung der vom Bundesrechts wegen gegebene Anspruch eingeschränkt wird. Hat nämlich ein Hilfsbedürftiger ohne Unterstützungswohnsitz Aufenthalt im Kanton Luzern, so hat dieser nach Art. 12 Abs. 2 ZUG volle Unterstützung zu leisten, was in der Folge jedoch durch die innerkantonale Zuständigkeitsregel in § 5 Abs. 2 SHG wieder auf die Notfallhilfe beschränkt und somit vereitelt wird. Aufgrund der aus Art. 49 Abs. 1 Bundesverfassung sich ergebenden derogatorischen Kraft des Bundesrechts hat diese Normenkollision im vorliegenden Fall zur Folge, dass die das Bundesrecht einschränkende kantonalrechtliche Norm keine Anwendung finden kann (vgl. Ruch, in: Die schweizerische Bundesverfassung, Kommentar, Rz. 22 zu Art. 49 BV). Etwas anderes gilt einzig, wenn ein Bedürftiger einen Unterstützungswohnsitz hat und ausserhalb dieses Wohnsitzes in eine Notfallsituation kommt. Nur in diesem Falle hat die Aufenthaltsgemeinde bloss Notfallhilfe gemäss § 5 Abs. 2 SHG in Übereinstimmung mit Art. 13 Abs. 1 ZUG zu leisten. Die von der Vorinstanz angeführten Fundstellen (Thomet, Kommentar zum Bundesgesetz über die Zuständigkeit für die Unterstützung Bedürftiger [ZUG], Zürich 1994, Rz. 186 und 189) besagen denn auch nichts anderes. Diese beziehen sich auf Art. 13 Abs. 1 ZUG, welcher eben nur für Bedürftige gilt, die in der Schweiz einen Unterstützungswohnsitz haben (vgl. Thomet, a.a.O., Rz. 185).

3.- Nach dem Gesagten ist der Beschwerdeführerin direkt gestützt auf Art. 12 Abs. 2 ZUG ein Anspruch auf volle Unterstützungsleistung an ihrem Aufenthaltsort zuzusprechen, da sie während der hier massgeblichen Zeit unbestrittenermassen

über keinen Unterstützungswohnsitz verfügte. Die Beschwerde erweist sich demnach, soweit auf sie einzutreten ist, als begründet und ist gutzuheissen.
Quelle: https://gerichte.lu.ch/recht_sprechung/publikationen
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